Über Gefühle
Mein Weg 30. Teil
Gefühle fühlen
Rückgat gebrochen
Wut
Als ich im April dieses Jahres vom Krankenhaus entlassen wurde und in meinem Krankenbett zu Hause morgens aufwachte, konnte ich meinen Gedanken noch nicht bewusst folgen, aber die Ichs hatten mich schon im Griff, denn sie meinten: „So Vater, jetzt ist endlich eingetreten, was du mir schon immer prophezeit hast.“ Mein Rückgrat ist gebrochen.“
Es brauchte eine Weile, bis ich verstand, was mein Kopf da sagte, und zwar mit einer Genugtuung, die ich so oft bei meinen Patientinnen und Patienten festgestellt hatte: Es war die kindliche Rache an den Eltern, in diesem Fall dem Vater.
Als ich ein Kind war, passte ich nicht zu den Sitten und Gebräuchen der Bauernhöfe im Ort. Ich hatte nicht nur für meine Eltern spinnige Ideen, sondern war auch einfach zu aufgeweckt und zu kreativ. Die Aussprüche meines Vaters waren dann: „Das muss man im Keim ersticken.“ „Dir muss man das Rückgrat brechen.“ Wir wissen, dass sich Botschaften, die oft wiederholt werden – ob von den Eltern oder den Medien – tief in uns verankern.
Ich musste meine Eltern schwer überzeugen, dass ich nicht auf dem Bauernhof arbeiten oder eine Lehre bei der Bank machen wollte. „Wenn ihr mich unbedingt lebendig begraben möchtet, dann gehe ich halt zur Bank“, wehrte ich mich damals trotzig. Ich wollte unbedingt Krankengymnastin werden. Doch schon damals, als ich im vierten Semester der Krankengymnastikschule war, wurde mir das Rückgrat gebrochen. Ich durchlief den Unterricht und die Praktika mit Freude und Erfolg. Ein Bandscheibenvorfall bahnte sich an. Er musste operiert werden. Das nannte ich bisher die selbsterfüllende Prophezeiung. Gleichzeitig konnte ich den körperlichen Hergang erklären. Dieses Thema habe ich im Buch „Narben und ihre verborgenen Störfelder“ beschrieben.
Im jetzigen Fall ertappte ich die Ichs – und vielleicht mein Unterbewusstsein, das sich nach deren Anweisung verhält – wie sie kindliche Rache an meinem Vater nahmen.
Erläuterung: Kindliche Rache sieht so aus: Draußen hat es vierzig Grad minus. „Ich ziehe keine Handschuhe, keinen Schal und keinen Mantel an. Dann könnt ihr zusehen, wie ich erfriere. Dann könnt ihr aber ‚Ulli, Ulli‘ rufen. Dann werdet ihr ein schlechtes Gewissen bekommen, weil ihr mir das angetan habt. Es soll euch genauso wehtun wie mir.“ Die kindliche Rache ist eine Form der Wut, die immer auf uns selbst gerichtet ist und uns schadet, während die Eltern noch nicht einmal ahnen, was wir mit uns ausgemacht haben.
Es hat lange gedauert, bis ich eine Lösung für diesen Glaubenssatz gefunden habe. Keine Aufstellung war bisher befriedigend oder tatsächlich erfolgreich.
Heute möchte ich die Emotion Wut näher beschreiben.
Ich war bestimmt schon öfter wütend, aber nicht lange, denn sonst könnte ich mich gut daran erinnern. An eine meiner Reaktionen auf ein besonders gemeines Geschehen kann ich mich jedoch noch sehr gut erinnern. Als ich 2008 meinte, endlich zwei alte, heftige Attacken gegen mich überwunden zu haben, und es auch finanziell wieder aufwärtsging, bekam ich einen Brief vom Gesundheitsamt. Darin sollte ich bestätigen, dass ich Heilpraktikerin bin. Das war ich damals nicht. In einem Gespräch mit einem netten Amtsarzt erfuhr ich, dass eine Patientin von mir zu ihm kam und fragte, ob ich als Physiotherapeutin das, was ich tat, denn machen dürfte. Konkret ging es um Psycho-Kinesiologie, Familienstellen, Reflexzonentherapie am Fuß, Beratung und das Hineinfühlen in Menschen und Gelenke. Das durfte ich nicht. Aber es war damals die einzige Einnahmequelle. Die vorhergehenden Diskreditierungen machtvoller Menschen hatten mir den normalen Weg als Physiotherapeutin verbaut. Ich musste all meinen Patientinnen absagen und hatte nur noch geringe Einnahmen, die nicht ausreichten, um meine kleine Familie und Unterkunft zu erhalten. Ich habe nicht nur jede freie Minute in die Heilpraktikerausbildung investiert, sondern musste auch erkennen, dass mir mein ganzheitliches Wissen, das ich über drei Jahrzehnte hinweg zusammengetragen hatte, nur im Weg stand.
Da packte mich eine solche Wut! Die Verräterin durfte anonym bleiben, während ich mich mit schlechtem Gewissen durch mein Leben quälte – zwischen Lernen, Arbeiten und Kinder versorgen. Plötzlich hörte ich mich laut sagen: „Ich wünsche dieser Frau die Krätze an den Hals.“ Ich war erschrocken über meinen Ausbruch. Außerdem waren das gar nicht meine Worte. Wo kamen sie denn her? Ich beruhigte mich schnell und sagte zu mir selbst: „Das darfst du nicht sagen, sonst kommt die Verwünschung auf dich zurück.“
Ich habe auch verstanden, dass andere Menschen sich tatsächlich so manipulativ verhalten können, dass ich zu einer Täterin werde – auch wenn es nur mit Worten passiert.
Ich habe meine Wut sozusagen in Watte gepackt, in Geschenkpapier gewickelt, tief drinnen in ein Kästchen gesteckt und nun konnte sie in mir wüten. Sie konnte in mir gären, mir Dauerstress machen und mich ein Stück zerfressen.
Wenn das Gefühl der Wut durch etwas von außen oder durch Gedanken ausgelöst wird und kanalisiert werden kann, ist die Wut schnell wieder verschwunden. Wut, die nicht abfließen kann, bleibt, wird größer und kann fatale Folgen haben.
Choleriker schreien ihre Mitmenschen an und entladen so ihre Wut. Sie hauen mit der Faust auf den Tisch, bis er wackelt, und das war’s. Eine Freundin von mir hat volle Blaubeergläser an die Wand geworfen. Im ersten Moment hat sich ihre Wut zwar entladen, im nächsten Moment hat sie sich jedoch wieder aufgeladen und gegen sie selbst gerichtet. Es gab nicht nur Scherben, sondern auch eine blaue, fleckige Wand, die wieder gereinigt und neu gestrichen werden musste.
Ein weiteres Beispiel: Ein Bekannter bat mich, nachzusehen, warum er in letzter Zeit solch starke Nackenschmerzen bekommen hatte. Im Gespräch erzählte er mir, dass sich seine langjährige Freundin aus unerfindlichem Grund von ihm getrennt habe und ihn zu einem abschließenden Gespräch in ein Lokal eingeladen habe, was er sich gewünscht habe. Als er eintraf, saß dort seine Ex-Freundin mit neuem Partner.
Es war klar, dass er gegenüber zwei Personen nicht das sagen würde, was ihm auf dem Herzen lag. Außerdem war er sehr enttäuscht, weil er sich durch das Gespräch und die schnelle Einwilligung seiner Ex für ein Treffen Hoffnungen gemacht hatte, dass sie wieder zusammenkommen könnten. Ich spürte seine Wut, die ihn besaß und nicht er die Wut. Sie hatte ihn am Nacken gepackt und konnte mit ihm machen, was sie wollte. Ich bat ihn, sich vorzustellen, wie er im Lokal am Tisch saß und die Ex und ihr Partner ihm gegenübersaßen. Er sollte sich fragen, was er am liebsten tun würde. Mein Bekannter lag auf dem Rücken auf meiner Behandlungsliege. Ich saß am Kopfende und hielt seinen Kopf und Nacken in meinen Händen. Der craniosakrale Rhythmus schien stehen geblieben zu sein. Seine Mimik verriet, dass er verschiedene Gefühlsebenen durchlief. Plötzlich gab es einen starken Ruck, und sein Kopf fiel schwer in meine Hände, während seine Nackenmuskeln ganz locker wurden. „Was hast du gemacht?“, wollte ich wissen. „Ich bin aufgestanden, habe mir meinen Stuhl geschnappt und ihn mit voller Wut auf den Tisch krachen lassen, sodass die Beine nur so davonflogen. Das war alles.“ „Wie haben die anderen beiden reagiert?“, fragte ich nach. „Die gingen mich gar nichts mehr an. Ich kann mit meiner Wut machen, was ich will“, sagte der Bekannte etwas trotzig und zugleich erleichtert. Im gleichen Moment waren die Nackenschmerzen verschwunden.
In meiner Praxis habe ich die steckengebliebene Wut einmal folgendermaßen beschrieben: In diesem Moment hat die Wut uns. Sie packt uns an den Schultern, und wenn wir im Leben zum Beispiel den richtigen Weg gehen wollen, dann packt sie gnadenlos zu und schiebt uns in den falschen Weg hinein. Wir sind passiv, instrumentalisiert und fühlen uns im ersten Moment sogar wohl.
Im nächsten Schritt sehen wir allerdings passiv zu, wie wir geradewegs einen Abgrund hinunterfallen, und sind handlungsunfähig. Die Wut versperrt nicht nur Gefühle, die uns warnen oder den richtigen Weg weisen würden, sondern vernebelt auch unseren klaren Verstand. Vor allem aber hält sie uns von der Herzenergie ab.

Ich möchte den Menschen dort abholen, wo er steht, ihn ein Stück begleiten, damit er selbstständig weitergehen kann.