Vegetatives Nervensystem

Mein Weg 28. Teil

Vagusnerv

Heilzustand

Stille Freude

Der Vagusnerv ist in aller Munde. Es gibt Bücher und unzählige Übungen für den sogenannten Wundernerv, der plötzlich (wieder-)entdeckt wurde. Wenn ich mich richtig erinnere, lernten wir Mitte der 1970er Jahre in der Krankengymnastikschule im Zusammenhang mit dem vegetativen Nervensystem vom Sympathikus und dem Vagus. Für uns KrankengymnastInnen gab es damals so gut wie keine Bücher und vor allem kein Internet. Wir erfuhren also nur das, was uns unsere Lehrerinnen meist nur mündlich mitteilten. Viele Jahre später musste ich umdenken: Jetzt hieß das vegetative Nervensystem autonomes Nervensystem, sein Vagus Parasympathikus.

Der Vagusnerv ist ein Teil des parasympathischen Systems und ist sein Hauptnerv. Er ist der längste Hirnnerv und beeinflusst unsere Organe wie das Herz (Herzfrequenz), die Lunge (Atmung) und den Verdauungstrakt (Verdauung). Eine Blockade des Vagusnervs kann sich in Schluckbeschwerden und dem berühmten Kloß im Hals äußern.  Er verbindet nicht nur das Gehirn mit den Organen, sondern meldet auch von den Organen zum Gehirn.

In den letzten Jahren sehnt man sich sehr nach Entspannung und Erholung, also nach einem Gegenspieler zu unserem Stress. Wenn die Arbeit des Vagusnervs (für die viele biochemische Vorgänge und Verschaltungen nötig sind) behindert wird, ist auch jegliche Heilung gestört. Viele Autoren und Therapeuten haben sich mit dem Vagusnerv beschäftigt und zeigen auf, wie man ihn beruhigen kann.

Schon lange war es mir wichtig, dass diesem Hirnnerv (dem zehnten von zwölf) der Weg frei gemacht wird. Er tritt gemeinsam mit dem elften Hirnnerv, dem Nervus accessorius, aus dem Foramen jugulare am Hinterkopf aus und verläuft entlang der Halsschlagader. Wenn wir durch eine falsche Körperhaltung oder belastende Gedanken im Nacken verspannt sind, werden diese beiden Hirnnerven in ihrem Austritt und Verlauf behindert. Diese Blockade kann durch leichte Massagen im Nackenbereich und in der Kreuzbeingegend, durch Cranio-Sacral-Therapie oder durch energetische Therapien gelöst werden.

Mit einer ruhigen, tiefen Atmung kann der Vagusnerv bzw. das parasympathische System beruhigt werden. Auch die Reduzierung unnützer Ich-Gedanken, das Einlegen von Pausen im Alltag und leichte Bewegungen wie Spazierengehen in der Natur sind hilfreich für das Gesamtsystem, das für Ruhe, Erholung und Heilung zuständig ist.Ich behandle auch immer die mit dem Vagusnerv zusammenhängenden Nerven oculomotorius (Hirnnerv III), facialis (Hirnnerv VII), glossopharyngeus (Hirnnerv IX) und den Nervus Trigeminus (Hirnnerv V).

Wenn der Vagusnerv gestört ist, kann unser Körper nicht mehr effektiv zwischen Stress, Erholung und Heilung wechseln. Die Regeneration ist gefährdet, was meist eine Kaskade von Symptomen auslöst. Ich habe sehr viel über den Vagusnerv geschrieben, in der Hoffnung, ein besseres Verständnis für unseren Körper zu vermitteln. Und um Fragen zu beantworten, die teilweise beim Lesen meiner Bücher aufkamen. Eigentlich wollte ich nur eine meiner Entdeckungen weitergeben.

In der HeartMath®-Fortbildung haben wir das Messen der Herzratenvariabilität mittels eines Computerprogramms kennengelernt. Unter anderem zeigt dieses Programm das Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus. So kann man erkennen, ob man zum Beispiel überwiegend im Stressmodus verweilt oder ob das vegetative Nervensystem in der Lage ist, zu regulieren. Da ich mich damals schon in den Sympathikus und den Parasympathikus hineinfühlen konnte und unterschiedliche Ergebnisse erhielt, bot sich mir die Gelegenheit, zu überprüfen, ob die Ergebnisse des Computerprogramms und meine Einschätzung übereinstimmen. Und … sie taten es. Da kann ich mich wie ein kleines Kind freuen und muss mich zügeln, um nicht vor gesammelter Mannschaft hüpfend und jubelnd im Raum herumzurennen.

Bevor ich morgens in die Praxis ging, habe ich mehrere Behandlungsmethoden angewandt, um neutral und „clean” zu sein. Bei Familienaufstellungen oder Beratungen habe ich mir immer gerne das vegetative Nervensystem meiner Klientinnen und Klienten angesehen. Meist fand ich einen verspannten Sympathikus mit geballten Fäusten, der sagte: „Und dann muss ich noch dies und das machen. Ach, das habe ich vergessen.“ Der Parasympathikus stand daneben, war wie gelähmt und zischte durch die geschlossenen Zähne: „Komm ichch heut nichch, komm ichch morgen.“

In der Pandemiezeit wurde es noch heftiger. Der Sympathikus stand nur noch starr da. Er erinnerte an die Todesstarre mancher Tiere. Der Parasympathikus lag reglos wie eine Marionette, die man am Kreuz losgelassen hat, auf dem Fußboden. Wenn der Körper dauerhaftem Stress ausgesetzt ist, spannt er sich an. So auch das vegetative Nervensystem. Wenn alle überreizt und im Dauerstress sind, schaltet unser Organismus ab und es kommt zu einer Lähmung oder Todesstarre.

Es kostete mich einige Überlegungen und viel Ausprobieren, um meine Patientinnen und Patienten in der Pandemiezeit wieder aus diesem Zustand zu holen. Das gelang mir mit der Lächelnmudra, der Atmung und der Ohrakupunktur, die eine andere Verschaltung (teilweise durch den Vagusnerv) als die Körperakupunktur hat.

Ich zeigte meinen Patientinnen und Patienten regelmäßig als Vergleich das Verhalten meines Sympathikus, der zügig voranschritt, und des Parasympathikus, der versuchte, mit dem flotten Schritt seines Gegenspielers mitzuhalten. Das empfand ich als normal. Allerdings habe ich die beiden tatsächlich nie vor den morgendlichen Übungen getestet oder auf dem HeartMath-Computerprogramm angesehen.

Während meines Urlaubs auf dem Panoramaberg Wank bei Garmisch-Partenkirchen hatte ich eine Erleuchtung. Ich hatte knapp eine Woche Urlaub in der Region gemacht. Ich hatte mir im Voraus genau überlegt, was ich sehen und erleben wollte, und mir gutes Wetter bestellt, das sich die fünf Tage von seiner besten Seite zeigte.

Am Ankunftstag habe ich noch die letzte Bahn zur Zugspitze hoch bekommen. Ich habe die Fahrt in der fast leeren Kabine und den traumhaften Blick auf die umliegenden Berge und hinunter zum Eibsee genossen. Es war ein stilles Glück und ein leichtes Flattern in der Magengrube. Beim Sonnenuntergang genoss ich im Restaurant am Eibsee einen frisch gebratenen Fisch und unternahm noch einen kleinen Spaziergang. Ich sog nicht nur die Luft, sondern auch das Farbenspiel von Sonne und See ein. Später verwandelten sich die Menschen und die sich im See spiegelnden Bäume zu einem Scherenschnittbild. Auch in mir wurde es ganz still.

In den nächsten Tagen fuhr ich mit den Bergbahnen auf Aussichtspunkte hoch, stapfte die in langen Serpentinen angelegten Wege und Pfade entlang und durchwanderte die Partnachklamm. Ich konnte mich gar nicht satt hören an dem Getöse des rauschenden Wassers. Wenn man alleine ist und das Erlebte mit niemandem teilen kann, sind alle Eindrücke intensiver, aber nicht lauter, sondern sehr still.

Am Tag vor der Abreise wollte ich wissen, welche Bahn ich jeden Morgen von der kleinen Frühstücksterrasse, auf der ich allein saß, beobachten konnte. Meine Wirtsleute lobten den Wankberg, weil man dort nicht nur gut essen, sondern auch einen herrlichen Rundwanderweg begehen konnte. Als ich meine Runde mit vielen Pausen und Fotoshootings auf einer Bank beendete und in stille Zufriedenheit versunken in die Landschaft schaute, kam mir der Gedanke: „Was macht jetzt mein vegetatives Nervensystem?“

Ich erhob mich und stellte mich in den Sympathikus. Ich war etwas unangenehm irritiert. Er schlenderte sehr gediegen den Pfad entlang. Sollte der nicht wacher sein? Ich stellte mich für den Parasympathikus. Der war außergewöhnlich aufgeweckt, hüpfte freudig wie ein kleines Kind neben dem Sympathikus her und meinte: „Gell, wir sind Freunde! Was machen wir jehetzt?“ Ich testete mich kinesiologisch aus und stellte fest, dass ich mich in einem mehrfachen Heilzustand befand, der auch als Yin-Zustand, Alphazustand oder Herzenergie bezeichnet wird. Dies scheint im Grunde der Normzustand zu sein, sofern keine unmittelbare Gefahr droht. Genau von diesem Zustand berichtet Dr. Hirneise, wenn er von der Heilung von Krankheiten und somit auch von Krebs spricht.