Eintracht
Mein Weg 14. Teil
Begegnung mit einem Bartkauz
Auszug aus Wandeltreue
Voliere im Kopf
Ein Beispiel meiner liebvollen Begegnungen und Geschichten aus meinem Buch „Wandeltreue“. Das Bild vom Bartkauz ist dort auf Seite 238 zusehen: Eine andere Geschichte mit einem Vogel der Weisheit hatte ich im Tierpark in Bad – Mergentheim erlebt. Nach einer Führung durch den Park ging ich noch einmal zurück in die großzügige Voliere, in der ich zuvor einen Bartkauz gesehen hatte. Er sah mit seinem grauweißen dichten Gefieder kuschelig aus. Seine kurzen Federn zeichneten einen Kreis um sein Gesicht, unter seinem Schnabel wuchsen Federn, die an einen Schnauzbart erinnern.
Ich betrat durch zwei Schwingtüren die Voliere und suchte den Eulenvogel auf einem der drei Bäume. Plötzlich stockte ich, denn beinahe wäre ich über den Kauz gestolpert, da er am Wegrand saß. Ich verlangsamte meine Schritte und blieb etwa anderthalb Meter vor ihm stehen. Dass ich ihm so nahe kommen durfte, freute mich, da ich ein schönes Foto von ihm machen wollte, wenn er sitzen bleiben würde. Ich setzte mich neben ihn auf den Boden. Wir schauten uns in die Augen. Ich fand ihn lustig, weil er schielte. Wir richteten dann beide gleichzeitig unseren Blick auf die Bäume gegenüber und schauten uns anschließend wieder an. Diese Zweisamkeit veranlasste mich, mit meinem Nebensitzer ein Gespräch anzufangen.
Die Voliere sei ja eigentlich ganz groß, ob er sich denn trotzdem eingesperrt fühle? Er schaute mich an und in meinem Kopf entwickelten sich Gedanken, die ich gerade gar nicht denken
wollte. „Du hast selbst eine Voliere im Kopf, die engt Dich mächtig ein“, vernahm ich in meinem Inneren. „He, hast Du gerade mit mir gesprochen?“, wollte ich wissen. Der Kauz schaute wieder in Richtung Bäume und wirkte von der Seite wie ein weiser Mann.
Den Gedanken nahm ich gerne auf. Ich beschloss, die Voliere in meinem Kopf zu untersuchen, sie aufzulösen oder einen Weg nach draußen zu finden. So saßen wir noch eine Weile in voller Eintracht da. Ich fragte ihn, ob ich einige Fotos von ihm machen dürfe. Er saß da und schaute mich herzallerliebst an.
Wir wurden unterbrochen, als die Schwingtüren laut polternd aufschlugen und ein kleines Mädchen, gefolgt von seiner Mutter, fröhlich herein hüpfte. Die Blicke zu den Bäumen gerichtet, dann
zu mir und zu meinem Freund, blieb das Mädchen verzückt vor uns stehen und rief: „Mama, Mama, so nah habe ich den noch nie gesehen.“ Die Mutter schaute zuerst mich an, dann den Bartkauz und wieder zurück zu mir. „Was haben Sie mit dem gemacht?“, fragte sie bass erstaunt. Ich antwortete ihr: „Ich habe mich nur kurz mit ihmunterhalten.“ Mein kluger Vogel schwang sich hoch auf den Baum und ich verließ die Voliere.
Zurück in der Praxis arbeitete ich gleich mit einer Klientin mit der Voliere-Metapher. Es zeigte sich, dass diese Klientin ihre Umzäunung
gar nicht verlassen wollte, aus Angst vor Verantwortung
und Fehlentscheidungen.“

Ich möchte den Menschen dort abholen, wo er steht, ihn ein Stück begleiten, damit er selbstständig weitergehen kann.